Warum ist die Eigentumsquote in Deutschland so niedrig?
In der 104. Folge unseres Podcasts „LEHMANN HUEBER Talk“ mit dem Titel „Warum ist die Eigentumsquote in Deutschland so niedrig?“ diskutieren wir die vergleichsweise geringe Eigentumsquote in Deutschland und beleuchten die Ursachen sowie mögliche Lösungsansätze.
Aktuelle Situation und internationale Vergleiche
In Deutschland lebt weniger als die Hälfte (ca. 47%) der Bevölkerung im eigenen Wohneigentum. Im europäischen Vergleich liegt die Eigentumsquote damit deutlich unter dem Durchschnitt. Länder wie Spanien und Italien (je ca. 75%), Slowakei und Serbien (über 90%) bzw. Rumänien (über 95%) verzeichnen wesentlich höhere Quoten, was auf unterschiedliche kulturelle und wirtschaftliche Rahmenbedingungen hinweist. Lediglich in der Schweiz ist der Wert mit ca. 43% noch etwas niedriger als bei uns.
Historische und kulturelle Faktoren
Die geringe Eigentumsquote in Deutschland hat historische Wurzeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Mietwohnungsbau stark gefördert, um den Wohnraummangel schnell zu beheben. Diese Politik führte zu einem gut ausgebauten Mietmarkt, der bis heute besteht. Zudem ist das Mieten in Deutschland kulturell tief verankert und wird oft als flexible und sichere Wohnform angesehen.
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Hohe Immobilienpreise, insbesondere in Ballungszentren wie München, erschweren vielen Menschen den Erwerb von Wohneigentum. Die gestiegenen Baukosten und weiterhin hohen Grundstückspreise tragen ebenfalls dazu bei, dass der Traum vom Eigenheim für viele unerreichbar bleibt. Zudem sind die Nebenkosten beim Immobilienkauf, wie Grunderwerbsteuer, Maklerprovision und Notargebühren, in Deutschland mit 9 bis 12% vergleichsweise hoch. In den meisten anderen Ländern fallen die Transaktionskosten deutlich weniger ins Gewicht und erleichtern damit einen kurzfristigen Kauf und Verkauf.
Finanzierungsbedingungen
Obwohl die Zinsen für Immobilienkredite in den letzten Jahren niedrig waren, stellen die hohen Kaufpreise eine erhebliche Hürde dar. Viele potenzielle Käufer scheitern an den erforderlichen Eigenkapitalquoten oder den strengen Kreditvergaberichtlinien der Banken. Inzwischen sind die Zinsen wieder spürbar höher, was die Erschwinglichkeit belastet. In den meisten Fällen sind die Warmmieten deutlich günstiger als die Kreditraten.
Mieterschutz und rechtliche Rahmenbedingungen
Der starke Mieterschutz in Deutschland bietet Mietern ein hohes Maß an Sicherheit, was das Mieten attraktiv macht. Langfristige Mietverträge, Kündigungsschutz und Mietpreisbremse sind Faktoren, die das Mieten gegenüber dem Kaufen begünstigen. Auch die Angst vor Mieterhöhungen ist kaum präsent, da viele Vermieter darauf verzichten und Mieten nur moderat anpassen können. In den USA werden beispielsweise nur Jahresmietverträge abgeschlossen, danach kann die Miete neu verhandelt oder das Mietverhältnis beendet werden.
Auswirkungen einer höheren Eigentumsquote
Eine steigende Eigentumsquote könnte positive Effekte auf den individuellen Wohlstand und die Altersvorsorge haben. Eigentum dient oft als wichtige Säule der Vermögensbildung und bietet im Alter finanzielle Sicherheit. Zudem könnte eine höhere Eigentumsquote die soziale Stabilität fördern, da Eigentümer tendenziell stärker in ihre Nachbarschaften und Gemeinden eingebunden sind.
Mögliche Lösungsansätze
- Förderprogramme: Staatliche Unterstützung, wie zinsgünstige Kredite oder Zuschüsse für den Ersterwerb von Wohneigentum, könnten den Zugang erleichtern.
- Reduzierung der Kaufnebenkosten: Eine Senkung der Grunderwerbsteuer würde die finanzielle Belastung beim Kauf verringern. Ebenso ein echtes Bestellerprinzip bei der Maklerprovision, die dann in der Regel komplett vom Verkäufer zu tragen wäre.
- Flexiblere Finanzierungsmodelle: Angebote wie Mietkauf oder Modelle mit geringeren Eigenkapitalanforderungen könnten mehr Menschen den Weg ins Eigenheim ebnen.
- Wohnungsbaupolitik: Die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum durch staatliche oder private Initiativen könnte den Druck auf den Immobilienmarkt mindern und den Kauf attraktiver machen.
Fazit
Die niedrige Eigentumsquote in Deutschland ist das Ergebnis eines Zusammenspiels aus historischen, kulturellen, wirtschaftlichen und rechtlichen Faktoren. Um mehr Menschen den Zugang zu Wohneigentum zu ermöglichen, bedarf es einer Kombination aus politischen Maßnahmen, finanziellen Anreizen und einer Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Eine höhere Eigentumsquote bietet nicht nur individuelle Vorteile, sondern kann auch gesamtgesellschaftlich positive Auswirkungen haben.